14. Dezember 2012

RPG-fikation von Games: Die verkehrte Welt bei der Nutzung von RPG-Elementen in Games

Wenn wir uns heute in der Landschaft der verschiedenen Video- und Computerspiele umsehen, dann finden wir kaum noch ein Produkt in dem wir nicht in irgendeiner Weise Einfluss auf die Entwicklung unserer Spielfigur nehmen können. Egal ob Statuspunkte wie Vitalität und Stärke, Skills bzw. Perks, Ausrüstungsmodifikationen oder multiple Antwortmöglichkeiten in Dialogen - in so ziemlich jedem Genre, vom First Person Shooter bis hin zum Jump 'n' Run, gibt es mittlerweile Level Ups oder andere Erfahrungslevels anhand derer wir unsere Spielfigur und entsprechend unsere Spielerfahrung gestalten können.
In den Anfängen der RPG-Computerspiele galten die Regeln aus verschiedenen Pen & Paper Rollenspielen noch als Grundlage für RPG Elemente. In Spielen wie dem ersten Final Fantasy oder dem ersten Diablo erhielten Spieler für das Besiegen von Monstern Gold und Erfahrungspunkte. Die Erfahrungspunkte wurden bis zu einem bestimmten Punkt gesammelt an dem der Charakter des Spielers einen Level aufstieg. Dadurch veränderten sich seine Werte, er wurde stärker, bekam mehr Gesundheit, Ausdauer etc. Gleichzeitig konnte man als Spieler - je nach Level - verschiedene Fähigkeiten wie Zauber erlernen. Auch die Benutzung von Waffen hing von bestimmten Statuswerten ab - ein besonders schwacher Charakter konnte kein schweres Schwert schwingen. Waffen und Ausrüstung konnten vom gesammelten Gold gekauft werden.
Lange Zeit waren diese Design-Elemente dem klassischen RPG vorenthalten. First Person Shooter fokussierten sich auf den "Skill" beim Schießen und Navigieren innerhalb der Levels, Jump 'n' Runs vorwiegend auf das Auswendiglernen der Levels und die notwendigen Reflexe zum Bestehen der darin enthaltenen Herausforderungen.

Final Fantasy war eines der ersten (östlichen) RPGs

Doch gegen Ende der 90er Jahre, etwa mit dem Erscheinen von Castlevania - Symphony of the Night, begann ein Wandel im Design von Computerspielen der bis heute anhält: RPG-Anteile in allen Genres.
Castlevania - Symphony of the Night, Sequel der berühmten und extrem schwierigen Jump 'n' Run Reihe, beinhaltete Erfahrungspunkte, Spielwährung, Ausrüstung für die Spielfigur sowie Level Ups mit Statusveränderungen. Die Auswirkungen auf das Spiel waren phänomenal: Je nach Waffe bedurften Gegner unterschiedliche Kampftaktiken und Spieler mussten Erfahrungspunkte sammeln um in neuen Arealen bei stärkeren Gegnern bestehen zu können - wobei das alte Castlevania Flair noch immer erhalten blieb.
Was in Castlevania - Symphony of the Night ein gelungenes Experiment war, fand schon bald Einfluss in die neue Konsolengeneration, insbesondere im Bereich der Multiplayer-Shooter.

Castlevania - Symphony of the Night bietet als Jump 'n' Run auch RPG-Elemente

Kaum ein Multiplayer-Modus, sei es der von Call of Duty, Uncharted, Homefront, Assassin's Creed III oder Gears of War scheint heutzutage noch ohne ein RPG-orientiertes Levelsystem auszukommen. Spieler erhalten für verschiedene Aktionen Punkte anhand derer sie in ihrem Rank aufsteigen und somit Zugriff auf neue Fähigkeiten oder Ausrüstung erhalten. Und diese Art von Nutzung ist im Prinzip gut.
Spieler werden durch dieses System permanent für Erfolge in Multiplayer-Gefechten belohnt und haben die Möglichkeit ihre Spielweise noch weiter zu verbessern und zu gestalten. Mit steigendem Erfolg wachsen ihre Optionen zu Spielen, da ihnen immer mehr Waffen, Perks und Waffenmodifikationen zur Verfügung stehen.
Doch genau dieser letzte Punkt ist das Problematische, das in Kontrast zu der RPG-Idee steht: Wenn wir im RPG einen Charakter formen, dann ist diese Art von Formung entgültig. Ein besonders starker Krieger kann nicht nachträglich schwächer gemacht werden, damit man andere Spieltaktiken anwenden kann - ein Charakter, auch wenn er fiktiv ist, ist nur dann ein Charakter, wenn er in seiner Entwicklung linear und nicht dynamisch verläuft.

Homefront bietet eine Art EXP-System

Im Grunde ist das nicht schlimm, denn wir reden an dieser Stelle von First Person Shootern - sich Ideen aus anderen Genres zu suchen ist per se nichts Schlimmes. Doch der Erfolg des damit verbundenen Belohnungssystems beginnt allmählich auf die "klassischen" RPGs zurückzukoppeln.
Erst jüngst haben wir in Diablo 3 ein System gesehen, bei dem wir als Spieler eine identische Art der Charakterentwicklung vollziehen wie im Call of Duty Multiplayer. Mit jedem Level bekommen wir mehr und mehr Fähigkeiten zur Verfügung gestellt, die wir jederzeit nach Belieben wechseln können. Die allgemeinen Statuswerte unseres Charakters entwickeln sich fest mit, alles andere wird über verschiedene Ausrüstungsgegenstände bestimmt. Wir haben hier keinen "Charakter" mehr den wir erschaffen haben, sondern einen Baukasten mit dem wir immerzu herumprobieren können.
Das selbe sehen wir in Final Fantasy XIII - auch hier haben wir weitgehend die Kontrolle über die Entwicklung unserer Spielfiguren verloren. Zwar können unsere Spielfiguren hier verschiedene Rollen im Kampf einnehmen, die damit verbundenen Fähigkeiten werden aber auf linearem Weg im Spiel dazugelernt, Gestaltungsfreiraum bleibt uns nicht. Zwar sind östliche RPGs allgemein weniger frei bei der Charaktergestaltung als die westlichen (Demon's Souls und Dark Souls einmal Außen vor), doch in alten Final Fantasy-Teilen konnten wir zumindest die Ausrüstung und die Zaubersprüche unserer Spielfiguren bestimmen.

Diablo 3 lässt den Spieler jederzeit zwischen Skills wechseln

Doch warum gibt es diesen Trend bei "neuen" RPGs? Hauptsächlich um Frust im Spiel zu vermeiden. Jeder der zum ersten Mal einen Charakter in Diablo oder Diablo 2 erstellt hat, kennt es: Man "verskillt" sich, d.h. man wertet die falschen Statuswerte seiner Klasse auf, was dazu führt dass man irgendwann nicht mehr Herr über bestimmte Spielsituationen wie Boss-Kämpfe wird. Die Folge war meistens: Neustart des Spiels. Durch die Flexibilität mit den Fähigkeiten in den neuen Ablegern will man den Spielern eine breite Auswahl an Handlungsmöglichkeiten bieten, um genau diesem Frust vorzubeugen.

Doch können wir bei diesen Spielen überhaupt noch von Rollenspielen sprechen? Warum muss man die Essenz eines Genres verwässern, anstatt sich damit zu beschäftigen wie man das Balancing zwischen Spielherausforderung und Klassenwerten in Einklang bringen kann?

Sind wir an einem Punkt angelangt, an dem First-Person-Shooter durch RPG-Einflüsse zunehmend komplexer, RPGs durch selbige Entwicklung aber zunehmend anspruchsloser und austauschbarer werden?

Es bleibt zu hoffen, dass kommende (Kickstarter-finanzierte) RPGs sich mehr auf ihre Wurzeln im Design zurückbesinnen und nicht einem Belohnungssystem nacheifern, dass zwar eine schnellere und leichtere Befriedigung beim Spieler ermöglicht, dafür aber umso weniger nachhaltig in der Erinnerung bleibt.

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